UPDATE: 04.11.19: Wie jetzt bekannt wurde, wurde der Erstplatzierte Sérgio Marques aus Portugal nachträglich disqualifiziert (Hier zum nachlesen: Pushing Limits) – das heißt: Chris kann das „Vize“ streichen und darf sich offiziell WELTMEISTER nennen – herzlichen Glückwunsch!!!

 

 

Hi Chris, schön dass du heute Zeit für ein Interview mit Böhnlein Sports gefunden hast. Wir starten auch gleich mit der ersten Frage: Wie kamst du auf die Idee zu #PP19?

Ganz klar: Mein Ehrgeiz hat mich dazu gezwungen, ich hatte auf Hawaii 2017 Pech und konnte deswegen nicht an meine körperlichen Grenzen gehen. Genau dafür habe ich mir ja den härtesten Ausdauerwettkampf der Welt ausgesucht…ich wollte wissen wie weit ich meinen Körper treiben kann.

Da ich dieses Ziel 2017 nicht erreichen konnte, habe ich das Projekt #PP19 gestartet…damals noch mit dem Gedanken: „Was habe ich da wieder für Mist erzählt, das wird ein Ding der Unmöglichkeit“. Aber kurze Zeit später reifte in mir die Überlegung: „Nur mit dem Unmöglichen als Ziel kommt man zum Möglichen!“

 

Wie viel hast du täglich trainiert und auf dich genommen für das große Ziel Hawaii?

Da muss man ehrlich sein: Ich habe es mir viel kosten lassen. Am Ende gab es fast keine freie Minute mehr, wenn man noch Beruf, Physio, Arztbesuche und Sponsoringverpflichtungen mit einrechnet.

Es hat natürlich variiert, aber im Schnitt waren es 20-25 Stunden pro Woche, am Ende in den Sommerferien sogar über 30 Stunden – da aber nur reines Training.

Wie hast du dich denn die zwei Jahre über immer wieder aufs Neue motiviert?

Da bin ich Gott sei Dank in einer glücklichen Situation: Ich muss mich nicht motivieren, weil ich den Sport so liebe, dass ich mich auf „fast“ jede Trainingseinheit freue. Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen man keine Lust hat um 6 Uhr früh Schwimmen zu gehen, oder nach einem langen Arbeitstag am Abend noch 5 Stunden zu trainieren.

In solchen Momenten erinnerte ich mich aber an mein Ziel Hawaii und dass mich genau diese Einheiten dann stärker machen, weil meine Gegner sie eventuell kürzen oder ganz ausfallen lassen. Stichwort „Innerer Schweinehund“ und so (lacht).

 

Hattest du „mentale“ Tricks wenn`s mal nicht lief oder etwas weh tat?

Ja klar, sehr viele sogar (lacht). Ich habe über das Jahr hinweg auch mit einem Mentalcoach zusammengearbeitet.

Es sind dann so „Spielchen“ die mich an positive Momente erinnern und dann in dem Moment noch leistungsfähiger machen. Ich singe zum Beispiel immer ein bestimmtes Lied, ich denke an mein Motivationstier das mich immer begleitet, an Personen in meinem Leben, steck mir eine kleine Distanz oder Zeitziele nach denen ich zum Beispiel immer trinken darf. So sind auch die härtesten Einheiten ein Genuss!

Gab es einen Moment, in dem du hinschmeißen wolltest? Falls ja: Wann/Warum und wie hast du dich da rausgezogen?

Nein, eigentlich nicht. Es gab höchstens Momente, in denen ich etwas gezweifelt habe. Das war vor allem die Diagnose der Schambeinentzündung nach dem Ironman in Texas. Das brutale an der Art von Verletzung ist, dass man eben nicht weiß wie lange sie zum verheilen braucht und ich so auch nicht wusste ob ich in Hawaii starten kann. Ich wollte ja auch nur an die Startlinie gehen, wenn ich hundertprozentig fit sein würde.

Mein Trainer hatte eine Deadline gesetzt bis wann ich wieder laufen muss damit ich noch eine 100 prozentige Fitness bis Hawaii erreichen kann.

Diese Zeit des Wartens, vieler Spritzen, des Dehnens und der absoluten Ungewissheit waren schon brutal. Ich habe aber immer das Positive gesehen… ich konnte mich auf die zwei anderen, meine schwächeren Disziplinen konzentrieren und mein Körper war erholter, da die Laufeinheiten am härtesten auf das System einwirken.

Da Hawaii immer erst im Oktober ist, wird die Saison schon mal sehr lange. Viele Athleten trainieren dann zu viel und sind am Ende kaputt. Das konnte mir aufgrund meiner Pause schon mal nicht passieren. (lacht)

Auch Faris Sultan hat Hawaii gewonnen, als einen Riss der Achillessehne hatte und erst wieder Mitte August laufen konnte. Viele sagen, dass er nur gewonnen hat, weil ihn die Verletzung zu einer Laufpause gezwungen hat.

Was waren deine High- bzw. Lowlights während der Vorbereitung?

Das Low ist einfach, das war die bereits erwähnte Schambeinentzündung mit der verbundenen Ungewissheit ob sich meine Ziele noch umsetzen lassen.

Das High ist schwierig, weil es tatsächlich so viele sind. Ganz oben definitiv das Go vom Doc nach der Entzündung wieder Laufen zu dürfen…Ich kann mich noch an den ersten Lauf erinnern. Es waren nur 2,5 km … aber eine der schönsten meines Lebens.

Generell würde ich auch die Konstanz der Saison nennen. Denn außer der Laufpause durch die Entzündung konnte ich durchgängig trainieren – ohne Pausen durch Verletzungen oder Krankheiten.

Außerdem war die Zusammenarbeit in meinem Team hervorragend, es hat mir nie an irgendwas gefehlt. Auch die Unterstützung aus meinem Umfeld war phantastisch.

Und letztlich natürlich das „Überleben“ bestimmter Schlüsseleinheiten, die ich – als ich sie im Voraus durchgelesen hatte – für Unmöglich gehalten hab. Danach habe ich mich immer unzerstörbar gefühlt! (lacht) Seien es die harten Intervalle auf dem Laufband bei denen man ab der Hälfte bereits fast umgefallen ist, die Kraftausdauerintervalle auf dem Rad am Ochsenkopf oder in Südtirol mit einem schnellen Lauf im Anschluss…da gibt es vieles was einen an die Grenzen gebracht hat – aber einen danach umso stärker hat werden lassen.

In deinem Logo für Hawaii konnte man groß „OHANA“ lesen – was hat es damit bzw. mit dem Aloha-Spirit auf sich?

„Ohana“ ist das hawaiianische Wort für Familie. Anders als bei uns sind damit nicht nur die leiblichen Verwandten, sondern auch die Menschen gemeint, mit denen man sich umgibt und schätzt. In meinem Fall also nicht nur meine Familie, sondern auch mein Team Mahrs Bräu Nicht Alkoholfrei und die ganze Region, die alles verfolgt, mitfiebert und mich so unterstützt.

So ein starkes und harmonisches Umfeld ist die Basis für Erfolg und ich bin stolz so viel Rückhalt in dieser „Familie“ für mein Projekt gehabt zu haben.

Die Einheimischen von Hawaii sind sehr spirituell und mit der Natur verbunden. In der heutigen Zeit können wir uns alle eine Scheibe von diesem Spirit abschneiden! Um beispielsweise in stressigen Zeiten zur Ruhe zu kommen und sich auf die wichtigen Dinge, wie die „Ohana Familie“, zu konzentrieren. Oder um die Natur respektvoll zu behandeln und umweltschonend zu leben…da gibt es vieles was es Wert ist übernommen zu werden finde ich.

Wie erklärst du jemandem, der noch nie auf Hawaii war, diesen Spirit und was ist das Besondere an Hawaii für Triathleten?

Einfach an einem Beispiel. Als ich am ersten Tag vom Pier zu meiner Unterkunft am Ali Drive, die Hauptstraße dort die parallel zum Meer verläuft, entlanggelaufen bin, hat ein Auto neben mir angehalten in dem ein älterer Mann saß.

Er hat mich gefragt, ob er mich irgendwo mithinnehmen kann. Mit Zigarre in der Hand, hat er mir von seinem Leben erzählt und auch beigebracht das „Aloha“ „The breath of god is upon you“ bedeutet und dass mir das im Rennen helfen wird. Diese Freundlichkeit und Lockerheit des „Hang Loose“ – Feelings ist auf Hawaii allgegenwärtig und die Basis für die positive Energie, die dort in der Luft liegt.

 

Wie kommt man vor dem Wettkampf in den „Tunnel“?

Das geht meist ganz von alleine, vor allem auf Hawaii…man wird quasi hineingeführt.

Je näher der Wettkampf rückt, desto mehr davon wird „sichtbar“:

Die Messe eröffnet, das Coffeeboat dreht seine Runden, auf dem Ali Drive „batteln“ sich immer mehr Athleten Oberkörperfrei. Absperrungen, Leinwände und Wechselzone werden aufgebaut, man muss sich registrieren lassen, das Essen wird umgestellt, das immer gleiche Training vor einem Wettkampf wird durchgeführt. Man rasiert sich die Beine, man macht sich Gedanken über völlig bescheuerte Themen wie Reifenwahl und Frisur, man muss das Rad abgeben, und schon klingelt der Wecker um 3 Uhr nachts…ab dann läuft alles automatisch ab.

 

Über dein Rennen hast du ja schon selbst viel geschrieben – aber was war dein erster Gedanke beim Start als der Pfiff ertönte – und welcher beim Überqueren der Ziellinie in Kona?

„Jetzt zählt es! Macht Platz!“ – das habe ich mir ca. 100 Mal nach dem Startschuss gedacht, weil es richtig, richtig eng war auf der Schwimmstrecke.

Als ich über die Ziellinie kam, habe ich mich tatsächlich geärgert. Zum einen, dass es schon vorbei ist. Und zum anderen, dass die Athletin, die vor mir das Ziel überquerte, das Zieltor nicht verlassen hat… da ich wusste, dass meine Erinnerung an diesen Moment, das Finisher-Bild, nichts wird.

Als ich mich dann freuen wollte wurde ich auch noch zur Dopingkontrolle abgeführt. Dort im Hotel im Wartebereich ist es dann über mich hereingebrochen.

Was sind deine neuen persönlichen und sportlichen Ziele für die Zukunft?

Das ist eine gute Frage, da ich mein langjähriges Ziel nun quasi erledigt hab. Und ohne Ziel kann ich diesen Sport nicht ausführen.

Mit Hawaii habe ich auf jeden Fall (erstmal) abgeschlossen, weil ich weiß, dass ich das perfekte Rennen hatte, das ich nicht toppen kann.

Ich weiß aber auch, dass ich den Sport nicht 0815 mäßig ausführen kann – und will. Die Challenge Roth, der größte Langdistanzwettkampf der Welt, steht auf jeden Fall noch auf meiner Bucket-List. Dort will ich im kommenden Jahr starten und unter die Top Ten kommen.

Für die zweite Saisonhälfte habe ich noch kein größeres Ziel außer an einigen regionalen Wettkämpfen teilzunehmen, für die ich bis jetzt keine Zeit hatte.

Im Anschluss will ich dann langsam meine Trainerkarriere einleiten, um mit dem Sport verbunden zu bleiben und so viele Menschen wie möglich zu motivieren, ihnen zu helfen und meine Erfahrungen weiterzugeben. Meinen Trainerschein habe ich jetzt kurz nach Hawaii bereits abgelegt.

 

Du bist ja auch im Vorstand von Böhnlein Sports – wie geht es da weiter? Hast du Ziele und Visionen?

Ich würde gerne ein Konzept erstellen, um Triathlon in Schulen einzuführen und bekannter zu machen – umso eine Jugendmannschaft in unserem Verein zu etablieren und auf diese Weise für Nachwuchs in unseren Herrenmannschaften zu sorgen.

Aber auch außerhalb vom Triathlon bin ich offen für jedes Projekt – soweit es in meiner Kraft steht und Sinn macht es zu unterstützen – beispielsweise ein Trainingszentrum zu etablieren.

 

Soviel zum sportlichen Bereich, jetzt wollen wir dich persönlich etwas besser kennenlernen. Was ist beispielsweise deine Lieblingsmusik oder Konzert?

Da kann ich mich nicht genau festlegen, das variiert stark und ist meistens abhängig von meiner Trainingsintensität oder meinem Seidla-Konsum (lacht)

 

Hast du ein Vorbild oder Idol? Gern auch außerhalb des Sports…

Ganz klar: Batman… er gehört zu den Superhelden wie Superman, Spiderman und Co. – hat aber als einziger keine Superkräfte.

 

Wenn du bei einem Ereignis in der Weltgeschichte dabei gewesen sein könntest, welches wäre das gewesen?Vor der Gründung von McDonalds… damit ich es hätte gründen können, und zwar als McDels (lacht)

 

Vielen Dank Chris für dieses sympathische Interview und deine Zeit!